(GNF) – Im September 2021 sorgten durchgesickerte Informationen zum geplanten Anti-Entwaldungsgesetz der EU für Furore. Umweltorganisationen zeigten sich alarmiert als kurz vor der offiziellen Pressekonferenz der EU-Kommission am 17.11.2021 verschiedene Gerüchte aufkamen, welche Rohstoffe und Ökosysteme nicht im Gesetzentwurf enthalten sein werden. Die Pressekonferenz brachte endlich Klarheit. Das Gesetz, mit dem die EU ihrer Verantwortung gerecht werden will, zeigt Lücken, ist aber nichtsdestotrotz ein wichtiger Schritt, um importierte Entwaldung zu stoppen und wird zahlreiche Unternehmen betreffen.
Gesetzes-Leak schürte Befürchtungen
Die durchgesickerten Informationen zum geplanten Anti-Entwaldungsgesetz ließen gravierende Lücken befürchten: Kautschuk, Leder und Mais ausgeschlossen, ebenso wie Schweine und Hühner sowie wichtige Ökosystem-Arten. Schnell wurde Kritik laut: Warum sind die Rohstoffe Kautschuk, Leder und Mais nicht enthalten, wo sie doch vom Europaparlament in einer Resolution vom Oktober 2020 zu den größten Verursachern globaler Entwaldung gezählt wurden? Wieso werden keine anderen Fleischsorten als Rind einbezogen, obwohl Schweine- und Hühnerhaltung durch die Verwendung von Sojafuttermitteln indirekt in großem Umfang zur Entwaldung beitragen? Und warum beschränkt sich der Entwurf auf Wälder und lässt andere artenreiche und schützenswerte Ökosysteme, wie Feuchtgebiete oder bewaldetes Grasland, außen vor? Wo doch beispielsweise die Cerrado-Region die größte Savanne Südamerikas und Heimat von rund 10.000 Pflanzenarten ist, von denen die Hälfte nirgendwo sonst auf der Welt vorkommt, gleichzeitig aber immens gefährdet ist. Zwar erhält die Entwaldung im Amazonasgebiet die meiste Aufmerksamkeit, doch die größten Auswirkungen des EU-Verbrauchs konzentrieren sich auf den Cerrado, wo Sojabohnenanbau und Rinderhaltung zu großflächiger Landumwandlung geführt haben, heißt es in einem Artikel von Trase, der Im Vorfeld der mit Spannung erwarteten Pressekonferenz veröffentlicht wurde.
Pressekonferenz bringt Entwarnung – aber nur teilweise!
Kautschuk und Mais sind tatsächlich nicht in dem Gesetzesentwurf berücksichtigt. Und auch bei den Ökosystemen bleiben Feuchtgebiete und Savannen außen vor. Aber es gibt auch Entwarnung: Leder ist nun doch im Gesetzentwurf gelandet, genauso wie wichtige Entwaldungstreiber wie Soja, Palmöl, Holzprodukte, Kakao und Kaffee. „Weil gerade die Rinderhaltung, insbesondere im Einzugsgebiet des brasilianischen Teils des Amazonas-Gebietes, als Entwaldungstreiber zu Buche schlägt und auf der anderen Seite die EU zu den größten Rindsleder-Importeuren der Welt gehört, ist die Berücksichtigung im Gesetzesentwurf unverzichtbar und daher sehr zu begrüßen“, erklärt GNF-Projektmanager Steffen Kemper.
Die Pressekonferenz hat außerdem offenbart, dass sich das Gesetz, anders als befürchtet, nicht nur auf illegale Entwaldung, sondern auf Entwaldung insgesamt beziehen wird. Die Sorge, das kleine und mittelständische Unternehmen von ihrer gesetzlichen Verpflichtung ausgenommen werden, hat sich ebenfalls nicht bestätigt, wenngleich ihnen Beratungsangebote gemacht und gegebenenfalls längere Übergangsfristen eingeräumt werden sollen. Ebenfalls positiv zu bewerten: Nach zwei Jahren soll es eine Revision geben, um zu entscheiden, ob die noch nicht berücksichtigten Ökosysteme und Rohstoffe inkludiert werden sollen.
GNF-Projekt kommt für Unternehmen genau zum richtigen Zeitpunkt
Mit seinem Projekt „Entwaldungsfreie Lieferketten – Ein Online-Atlas für Nachhaltigkeit in Unternehmen (ELAN)“ arbeitet der GNF gemeinsam mit der Tropenwaldstiftung OroVerde am Puls der Zeit. Das Projektteam entwickelt einen Online-Atlas, der konkrete Handlungsempfehlungen zur Identifizierung und Vermeidung von Entwaldung in Lieferketten ebenso wie eine Übersicht relevanter Instrumente für Unternehmen enthalten wird. Innovative Ansätze und Best Practice-Beispiele werden vorgestellt und erste Schritte für Unternehmen aufgezeigt. Dies bietet dann auch den Unternehmen eine Hilfestellung, welche in Folge des EU-Gesetzes verbindliche Sorgfaltspflichten umsetzen müssen. Zusammen mit Pilotunternehmen wird der Online-Atlas getestet, um ihn an die Bedürfnisse insbesondere kleiner und mittelständischer Unternehmen anzupassen.
„Aktuell beschäftigen wir uns vor allem mit der Analyse der Risikorohstoffe und identifizieren die relevanten Risikoregionen. Als nächstes werden wir uns eingehend mit Zertifizierungen und verfügbaren Entwaldungstools auseinandersetzen, bevor ab 2022 der Austausch mit und die Beratung von Unternehmen im Fokus stehen werden. Wir sind aber schon jetzt offen für Gespräche und sehen an der großen Resonanz und Aktualität, dass wir mit unserer Arbeit einen wertvollen Beitrag leisten können“, erklärt ELAN-Projektmitarbeiter Steffen Kemper, GNF.
GNF-Projektleiterin Andrea Reuter ergänzt: „Das übergeordnete Projektziel ist die Beratung und Unterstützung insbesondere kleiner und mittelständischer Unternehmen mit unserem Online-Atlas. Das geplante EU-Anti-Entwaldungsgesetz rückt unsere Arbeit noch stärker in den Fokus. Unternehmen haben einen Bedarf an Information und Beratung und ELAN wird genau das bieten.“