Seenfachkonferenz in Retgendorf am Schweriner See
 

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Seenfachkonferenz in Retgendorf am Schweriner See

Retgendorf, am 30.09.2015: In Retgendorf am Schweriner See haben in den vergangenen drei Tagen Fachleute von zehn deutschen Seen und Seenregionen aus dem Netzwerk Lebendige Seen Deutschland getagt. Das Netzwerk hatte den Schweriner See im März zum Lebendigen See des Jahres ernannt. Anlass hierfür war, dass 2014 erstmals nach Jahrzehnten wieder natürliche Nährstoffkonzentrationen gemessen wurden. Der Schweriner See und angrenzende Flächen sind Europäisches Vogelschutzgebiet. Die Fachleute zeigten sich beeindruckt von der Schönheit des Sees, den vielfach unverbauten Ufern und einer großen Artenvielfalt über und unter Wasser.

Sorge bereitet den Experten die starke Belastung der Seen in der Stadt Schwerin. Insbesondere am Heidensee ist das Wasser trüb. „Hier muss es aus Gräben und wassernahen Grundstücken zu erheblichen Nährstoffeinträgen kommen", analysiert Silke Oldorff, Limnologin aus Rheinsberg bei einer Rundfahrt durch die Schweriner Seenplatte. Die vollständig mit Wochenendhäusern verbauten Ufer verhinderten eine natürliche Ufervegetation und damit eine Selbstreinigung des Heidensees. Fraglich ist außerdem, wie diese als Bootshaus konzipierten Häuser Abwässer entsorgen. „Mit Wasserfahrzeugen mit Verbrennungsmotor muss sehr vorsichtig umgegangen werden, sonst werden die Ufer durch den Wellenschlag geschädigt", ergänzt Edith Reck-Mieth, zuständig für das Seenbeobachtungsprogramm im Landkreis Plön. Am Steinhunder Meer und am Chiemsee sind Elektroboote Standard, berichteten Vertreter der beiden Seen. An anderen Seen ist die maximale Anzahl der Motorboote begrenzt, womit der Oberflächengewässerverordnung Rechnung getragen wird.

Kritisch betrachten die Besucher die Bauvorhaben der Stadt Schwerin am und im See. „Es ist gut, dass zunächst innerstädtische Konversionsflächen in Anspruch genommen werden. Es lohnt sich, intakte Natur und Eigenart eines Sees in der Stadtentwicklung zu berücksichtigen" meint Patrick Trötschler, stellvertretender Geschäftsführer der Bodensee-Stiftung. Seen weckten immer Begehrlichkeiten. Aufgabe einer modernen Stadtentwicklung sei es, den Blick auf den See zu gewährleisten und die Ufer zu entlasten. Weitere Bootsstege verkraftet der See im Stadtgebiet nicht, stattdessen sollte dafür gesorgt werden, dass vorhandene Stege von allen genutzt werden können.

Überrascht zeigten sich die Besucher darüber, wie wenig die Stadt Schwerin und umliegende Gemeinden die Natur am See als Wert schätzen. „Eine Station wie die Naturschutzstation in Zippendorf direkt am Ufer hätten wir am Chiemsee auch gerne" meint Jürgen Pohl, Vorsitzender der Naturführer am Chiemsee, nach einem Besuch dort. Insgesamt werde aber sehr wenig Nutzen aus den Naturschätzen des Sees gezogen, findet Jürgen Pohl. Die Stadt Schwerin hat offenbar noch nicht verstanden, was sie vor ihrer Haustür liegen hat, meint auch Thomas Schaefer, der das Netzwerk Lebendige Seen Deutschland seitens des Global Nature Fund aus Radolfzell am Bodensee koordiniert. Das Image als Kulturstadt sei naheliegend. Dies durch eine „Stadt in der Natur" zu ergänzen, sei ein ungehobener Schatz, so Schaefer. Die roten Säulen auf Kaninchenwerder und anderswo am See seien gut konzipiert, aber kaum lesbar. Die Schilder könnten aktualisiert und für moderne Medien zugänglich gemacht werden. Sinnvoll wäre eine seeumspannende Umweltbildungskonzeption, die Radwege, Bootsanleger und besondere Naturräume mit einbezieht. „Wir konnten uns davon überzeugen, wie schön es hier am See für Naturliebhaber ist", sagt Wolf Troue von der Ökologischen Schutzstation Steinhuder Meer nach dem Aufenthalt am Campingplatz Retgendorf. „Auch für den Immobilienmarkt, und damit für Bauwirtschaft, Tourismusmarkt, Kulturmarkt und Gesundheitswirtschaft ist es wichtig, dass das Selbstreinigungssystem des Sees intakt ist", ergänzt Corinna Cwielag vom BUND MV.

Dringenden Handlungsbedarf sehen die Umweltfachleute bei den erheblichen Einträgen aus der Landwirtschaft am Schweriner Außensee. „Pufferstreifen müssen hier dringend seeumfassend geschaffen, Lücken in den Pufferstreifen geschlossen werden", betont Michael Bender, Leiter der Bundeskontaktstelle Wasser bei der Grünen Liga Berlin, nach einer Exkursion am Seeufer zwischen Retgedorf und Flessenow. Es könne nicht sein, dass Gülle aus Äckern direkt in den See fließe, wie bei einem Besuch im Frühjahr beobachtet. Hier seien die anliegenden Landkreise gefragt.

Das Netzwerk Lebendige Seen Deutschland ist ein interdisziplinärer Zusammenschluss von Organisationen, die sich in Seenregionen mit nachhaltiger Entwicklung, Umwelt- und Naturschutz engagieren. Der BUND Schwerin wurde anlässlich des Treffens als Netzwerkpartner aufgenommen, nachdem der Verein Naturschutzstation Zippendorf e.V. 2015 als Netzwerkpartner ausgeschieden ist. Jährlich finden zwei Treffen an wechselnden Orten in Deutschland statt. Die Auszeichnung Lebendiger See des Jahres wird jährlich durch das Netzwerk vergeben. Das Tagungsprogramm im Schulungszentrum Retgendorf beinhaltete neben zahlreichen Vorträgen zum Gewässerschutz, der Situation am Schweriner See und anderswo, einen Exkursionstag auf den Schweriner Seen. Als Gäste begrüßten die Netzwerkpartner Bernd Nottebaum, Dezernent für Wirtschaft, Bauen und Ordnung der Stadt Schwerin sowie weitere Vertreter aus Mecklenburg-Vorpommern. Das Netzwerk Lebendige Seen Deutschland ist Bestandteil des weltumspannenden Netzwerkes Living Lakes, das mit über 100 Partnerorganisationen in 52 Ländern durch den Global Nature Fund koordiniert wird.
 
Foto:
Fachleute von zehn deutschen Seen und Seenregionen aus dem Netzwerk Lebendige Seen Deutschland bei der Exkursion zur Insel Kaninchenwerder (Foto: Dr. Thomas Schaefer)
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