22.05.2015: Alljährlich steht der 22. Mai als der „Internationale Tag der Biodiversität" im Mittelpunkt der Bemühungen, mehr Unterstützung für die Bewahrung der Biodiversität zu gewinnen. Die biologische Vielfalt unserer Welt ist in einem Ausmaß bedroht, wie es bislang in der Geschichte des Planeten noch nicht der Fall war. Das belegen die erschreckenden Zahlen: Von knapp über 40.000 untersuchten Rote-Liste-Arten gelten über 16.000 Arten als bedroht – das sind über 40 Prozent!
Die Landwirtschaft ist einer der Haupteinflussfaktoren für die Bedrohung der Biodiversität weltweit. Durch intensive landwirtschaftliche Produktionssysteme nehmen bei Kulturpflanzen und Nutztieren sowohl die Artenvielfalt als auch die innerartliche Vielfalt der Sorten und Rassen und damit die genetische Vielfalt stetig ab. 90 Prozent der weltweit erzeugten Kalorien stammen von gerade einmal 15 Pflanzen- und acht Tierarten. Zudem werden durch die intensivierte Landwirtschaft wertvolle Ökosysteme beeinträchtigt – etwa durch Wasserübernutzung, Überdüngung und Eintrag von Düngemitteln und Pestiziden in Böden und Gewässer.
Bedrohung natürlicher Ressourcen in Entwicklungs- und Schwellenländern
Umwelt- und Entwicklungsexperten fordern schon seit langem den Übergang zu umweltschonenden und nachhaltigen Anbau- und Wirtschaftsweisen. Dennoch sind artenreiche Lebensräume – insbesondere Tropenwälder – immer stärker bedroht: Kahlschläge für Sojaanbau und Agrosprit sowie gewaltsame Vertreibungen indigener Gruppen finden in vielen Entwicklungsländern noch immer statt.
Die Bedrohung für die natürlichen Ressourcen ist besonders in den Entwicklungs- und Schwellenländern weiter angestiegen. Denn wo Bevölkerung und Armut gleichzeitig wachsen, muss die Natur weichen.
Dabei sind besonders die rund 1,1 Milliarden in extremer Armut lebenden Menschen auf funktionierende Ökosysteme zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse angewiesen – gerade auch deshalb, weil 70 Prozent dieser Menschen als Kleinbauern in ländlichen Gebieten leben. Deren kleinbäuerliche Wirtschaftsweise ist nach zahlreichen Studien die nachhaltigste und umweltschonendste.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung fordern Fairtrade und der Global Nature Fund:
- Produzenten, Verarbeiter und Handel müssen sich ihrer Verantwortung für den Erhalt der Biodiversität stellen
- Biodiversitätsfördernde Anbauweisen müssen das Leitbild der landwirtschaftlichen Produktion werden und durch faire Preise honoriert werden
- Es müssen wieder mehr Kulturpflanzenarten und -sorten angebaut und vermarktet werden. Konsumenten sollten intensiver über die Bedeutung einer vielfältigen Agro-Biodiversität informiert werden
- Standards und Qualitätssiegel der Lebensmittelbranche müssen umfassende Kriterien zum Erhalt der Biodiversität und zur nachhaltigen Nutzung von Ökosystemleistungen vorsehen und deren Wirkung auf die Natur erfassen.
Dialog für Biodiversität
In diesem Zusammenhang nimmt TransFair aktiv an einem Expertenforum des GNF zu mehr Biodiversität in relevanten Standards für die Lebensmittelbranche teil, mit dem Ziel von mehr Biodiversitätskriterien in Standards und Labels für die Lebensmittelbranche. Außerdem findet ein Dialog mit den maßgeblichen Handelsketten statt, ihre Produktionsvorgaben hinsichtlich mehr Agro-Biodiversität zu öffnen; also zum Beispiel eine größere Sortenvielfalt zuzulassen und zu fördern.
Beispielsweise dominiert derzeit praktisch nur eine einzige wichtige Bananensorte im Anbau und im Handel – die „Cavendish"-Banane. Das führt sowohl zu einem dramatischen Verlust der Sortenvielfalt, als auch zu einer immer weiteren Reduzierung des Genpools von Kulturpflanzen, was wiederum eine höhere Schädlings- und Krankheitsanfälligkeit nach sich zieht und deshalb den verstärkten Einsatz von Agrarchemikalien und Pestiziden zur Folge hat. Die Sortenvielfalt zu fördern ist deshalb ein wesentlicher Beitrag zum Erhalt der Biodiversität, ohne die weder Ernährungssicherheit noch das Überleben vieler Millionen Menschen möglich ist.
Aus Sicht von Fairtrade und GNF kann und muss sich nachhaltige Ressourcennutzung lohnen – nur dann bleiben biologische Vielfalt und eine intakte Umwelt erhalten.
Fairtrade und Biodiversität
Der Faire Handel setzt seit über 30 Jahren auf die Förderung von Kleinbauern in Afrika, Asien und Lateinamerika sowie auf ressourcenschonende, nachhaltige Anbauweisen. Fairtrade-Standards haben auch den Schutz der Biodiversität zum Gegenstand. So ist etwa Brandrodung verboten, die Einrichtung von Pufferzonen und der Schutz von Gebieten mit hoher Biodiversität ist vorgeschrieben, und Wildsammlung nur sehr beschränkt erlaubt.
Neben der Förderung der Biodiversität kümmert sich Fairtrade auch um die Förderung der Agro-Biodiversität: Die Diversifizierung der Produktion ist eine Ertragssicherungs-Strategie und stärkt damit gleichzeitig die Kultur- und Sortenvielfalt. So produzieren heute zum Beispiel Kaffeebauern in Guatemala nicht mehr nur Kaffee, sondern haben auch weitere Produkte wie Honig und Kardamom als Waren des Fairen Handels auf den Markt gebracht.
Einer der Hauptgründe für den Verlust der landwirtschaftlichen Arten- und Sortenvielfalt, der Anbau gentechnisch veränderter Sorten, ist bei Fairtrade grundsätzlich verboten. Nicht zuletzt schließlich werden die Bauern und Bäuerinnen im Süden darin unterstützt, auf kontrollierten biologischen Anbau umzustellen. Ein großer Teil der Fairtrade-Produkte sind bereits Bio-Produkte – derzeit über 60 Prozent.
Hintergrund: Global Nature Fund - Biodiversität in der Lebensmittelindustrie
Die gemeinnützige Stiftung Global Nature Fund (GNF) setzt sich weltweit für den Schutz der Natur ein. Neben konkreten Schutzprojekten zum Erhalt von bedrohten Arten arbeitet der GNF auch mit Partnern aus der Wirtschaft an Strategien zur Sicherung natürlicher Ressourcen.
Im Projekt „Integration von Biodiversitätskriterien in Standards und Qualitätssiegeln der Lebensmittelbranche" untersucht der GNF und sein Partner Bodensee-Stiftung aktuell Labels und Standards mit dem Ziel, den Schutz der biologischen Vielfalt stärker in Zertifizierungssystemen und Lieferantenvorgaben der Lebensmittelindustrie zu verankern. Bisher wurden die Standards im Lebensmittelbereich noch nicht systematisch dahingehend untersucht, ob und mit welchen Vorgaben die Biodiversität beim Anbau von Rohstoffen und der Tierhaltung berücksichtig wird.
Die Ergebnisse zu 19 nationalen und internationalen Standards und Labels für die Lebensmittelbranche, inklusive regionaler Labels und Eigenmarken von Unternehmen, haben GNF und Bodensee-Stiftung in der Studie „Biodiversität in Standards und Qualitätssiegeln der Lebensmittelbranche" veröffentlicht. Die Untersuchung zeigt, dass vorhandene Biodiversitäts-Kriterien nicht an allen für den Erhalt von Biodiversität wichtigen Aspekten ansetzen und dringender Handlungsbedarf bei der Weiterentwicklung von Siegeln und Standards besteht. Aktuell diskutiert der GNF die Untersuchungsergebnisse mit Standardorganisationen und Handelsketten und erstellt Handlungsempfehlungen für Standards zum Schutz der Biologischen Vielfalt.
Weitere Informationen unter:
www.globalnature.org und
www.lebensmittelstandards.business-biodiversity.eu
Über den Global Nature Fund
Die Mitgliedsorganisation und gemeinnützige Stiftung Global Nature Fund (GNF) mit Hauptsitz in Radolfzell am Bodensee setzt sich weltweit für den Schutz der Natur ein. Neben konkreten Schutzprojekten zum Erhalt von bedrohten Arten arbeitet der GNF auch mit Partnern aus der Wirtschaft an Strategien zur Sicherung natürlicher Ressourcen.
www.globalnature.org und
www.business-biodiversity.eu
Rückfragen bitte an:
TransFair e.V., Remigiusstr. 21, 50937 Köln, Tel: + 49 – 221 – 94 20 40-0, Fax: + 49-221-942040-40
Entwicklungspolitischer Referent: Martin Schüller
Global Nature Fund, Kaiserstr. 185-197, 53113 Bonn; Tel: + 49 - 228 - 184 86 94-11
Leiter Unternehmen und Biodiversität: Stefan Hörmann