Radolfzell, am 28. November 2012: Jahrzehnte lang standen sich Umweltschützer und Abbauunternehmen für Kies, Sand, Naturstein und Quarzrohstoffe ziemlich unversöhnlich gegenüber. Die Abbaustätten waren offene Wunden in der Landschaft und wurden in erster Linie als Beitrag zur Zerstörung wertvoller Ökosysteme und Artenvielfalt wahrgenommen. Maßnahmen, um die Eingriffe in die Natur während des Abbaus abzumildern und umsichtige Renaturierungen wurden nur von wenigen Vorreiterunternehmen praktiziert.
Heute ändern sich die Dinge! Die Branche hat erkannt, dass Natur und Umwelt eine wichtige Säule für den langfristigen unternehmerischen Erfolg sind und dass sie ihre negativen Auswirkungen kontinuierlich reduzieren muss. Auch in diesem Jahr ermunterte der Bundesverband mineralische Rohstoffe (MIRO) seine Unternehmen, sich beim MIRO-Nachhaltigkeitspreis um eine Auszeichnung zu bewerben.
Beste umweltgerechte Praxis und Folgenutzung
Dass Abbauunternehmen und Umweltorganisationen erstaunliche Ergebnisse erreichen, wenn sie zielgerichtet zusammenarbeiten, zeigten die zahlreichen Bewerbungen für den Nachhaltigkeitspreis in den Kategorien „Beste umweltgerechte Praxis" und „Wiederherrichtung und Folgenutzung". Mit bester umweltgerechter Praxis ist die Art gemeint, mit der Unternehmen ihren Gewinnungsbetrieb organisieren, um bereits während der Abbau- und Betriebsphase durch klar definierte Schutzszenarien ein Plus an Biodiversität zu begünstigen. Das Thema Wiederherrichtung und Folgenutzung fokussiert besondere Leistungen für die Zeit nach dem Abbau. Ausgezeichnet wurden:
Quarzwerke Frechen für die Förderung von Altwaldbewohnern. Dafür wurden bei der Renaturierung des Tagebaus Frechen mit großem Einsatz günstigste Bedingungen für Fledermäuse, Salamander, Erdkröten, Bergmolche, Spechte und weitere Arten geschaffen.
Schäfer-Kalk für die Integration eines benachbarten Steinbruches in das eigene Wiederherrichtungsprogramm. Der deutlich über die Nachsorgeverpflichtung hinausgehende Ansatz führte zu einer deutlichen Aufwertung des Gesamtareals mit einem Plus für die Ansiedlungsdynamik.
Porzner Kies für Renaturierung eines Flussabschnittes und seiner Ufer- und Auenbereiche sowie die Reaktivierung von Altarmen im Einklang mit dem laufenden Betrieb. Für einen Erfolg des Projektes scheute das Unternehmen auch nicht ein aufwändiges Antragsverfahren nach EU-Standards. Darüber hinaus unterliegt der Erfolg einem permanenten Monitoring.
KSK Kies- und Schotterwerk Kreuzfeld für Bemühungen zur Einbindung des Naturschutzes in die Renaturierung stillgelegter Abbauflächen bei gleichzeitiger Freizeitnutzung des Geländes. Das Beispiel belegt ein mögliches Miteinander verschiedener Nutzungsarten und steht damit beinahe beispielhaft für das neue Miteinander von Naturschutz und Wirtschaft.
Soziale Verantwortung
Deutlich wurde anhand der eingereichten Arbeiten, dass es den Unternehmen der Branche wichtig ist, lokale Partnerschaften mit der Gemeinde und anderen Interessenvertretern zu pflegen und einen wesentlichen Beitrag als verantwortungsvoller „Nachbar" zu leisten.
Ausgezeichnet wurden unter den eingereichten Arbeiten:
Das Klassenzimmer am Baggersee des Unternehmens Lenz-Ziegler- Reifenscheid. Das Projekt wird von Schulen hervorragend angenommen. Es verknüpft die Themenfelder Geologie, Rohstoffgewinnung und -nutzung mit Naturverantwortung und Biodiversität. Besonders lobenswert ist auch die Handlungsanleitung, die LZR für andere Unternehmen, die ähnliche Projekte in Angriff nehmen wollen, erstellt hat, und bei Bedarf weitergibt.
Der Wasserspielbereich in Form eines „Matschkieselmann", den die Gelinter Kiesbaggerei der Teunesen Group für die Neugestaltung des Außenbereiches des „Bewegungskindergartens Gänseblümchen e. V." zur Förderung des naturwissenschaftlichen Verständnisses und der motorischen Grundfertigkeiten von Kindern projektieren ließ und finanziert. In die Fertigstellung wird auch die gesamte Elternschaft einbezogen.
„Blech im Bruch", eine mittlerweile etablierte Konzertveranstaltung im laufenden Steinbruch Gebrüder Arweiler. Für diese mittlereile weithin bekannte Veranstaltung wird bei der Gesteinsgewinnung darauf geachtet, dass der „Konzertrahmen" erhalten bleibt. Die angrenzende Gemeinde nimmt den Platz mit der besonderen Akustik dann jeweils einmal an einem Wochenende im Juli für den Großevent in Anspruch.
Sonderpreis Biodiversität
Der Verlust von Ökosystemen sowie Pflanzen- und Tierarten ist dramatisch vorangeschritten – nicht nur in den so genannten Hotspots der Biodiversität in Brasilien, Afrika oder Asien, sondern auch hier bei uns in Europa und in Deutschland. Experten gehen davon aus, dass die Tier- und Pflanzenarten 1.000-mal schneller aussterben als es natürlicherweise der Fall wäre.
Während die Unternehmen der Rohstoffgewinnung hier in Deutschland strenge gesetzliche Umweltauflagen erfüllen sowie ihre negativen Auswirkungen auf Lebensräume, Ökosystemfunktionen und Arten kompensieren müssen, um überhaupt eine Abbaugenehmigung zu erhalten, geht der Rohstoffabbau in den Entwicklungs- und Schwellenländern nach wie vor oft mit einer enormen Zerstörung von Natur einher. Und der Rohstoffhunger ist ungebremst: Weltweit werden heute jährlich annähernd 60 Mrd. Tonnen an Rohstoffen verbraucht, fast 50 % mehr als vor 30 Jahren. Im Jahr 2030 könnten es 100 Milliarden Tonnen sein.
Die Zerstörung von Ökosystemen und das Artensterben haben nicht nur gravierende ökologische, sondern auch soziale und wirtschaftliche Folgen. Nur intakte Ökosysteme können die vielfältigen Dienstleistungen erbringen, die für den Menschen überlebenswichtig und für unsere Wirtschaft die notwendige materielle Grundlage sind.
Biodiversität – was haben wir damit zu tun? So lautet die Frage der meisten Wirtschaftsverbände, wenn sie im Rahmen der Europäischen Business and Biodiversity Kampagne vom Global Nature Fund angesprochen werden. MIRO hat die Bedeutung erkannt und dies u.a. mit einem Sonderpreis für Biodiversität unterstrichen.
Drei Unternehmen wurden u. a. von Marion Hammerl, der Präsidentin des Global Nature Fund, für ihr
Engagement beim Schutz der Artenvielfalt ausgezeichnet:
Das
Unternehmen Holemans hat am Diersfordter Waldsee einen facetten- und damit artenreichen Biotopverbund und damit ein neues Zuhause für Flussseeschwalbe, Biber & Co geschaffen. Zu Beginn, Anfang der 1970er Jahre, trug der naturnahe Ansatz Pilotcharakter. Das langjährige Artenschutzmonitoring seitdem geht einher mit einer gezielten Modellierung. Die Wechselwirkung hat zu einem hervorragenden Ergebnis geführt.
Als kleines Unternehmen überzeugte
Quarzsand Nudersdorf mit einem hervorragenden Programm zur gezielten Förderung gefährdeter Tier- und Pflanzenarten und wertgebender Ökosysteme, das in enger Zusammenarbeit mit dem regionalen NABU umgesetzt wird.
Eine Belobigung verdiente sich das
Unternehmen Rheinumschlag für das Projekt „Wie kommt der Adler zu seinem Horst" im Bereich der Liebenauer Gruben, die kürzlich auch wegen des besonderen Engagements des Unternehmen bei der Gestaltung von Lebensräumen für den Fischadler zum Naturschutzgebiet erklärt wurden.
Für viele Tierarten, wie z.B. zahlreiche heimische Amphibien, Reptilien und Vögel sind die Liegenschaften der Steine- und Erdenindustrie wichtige Lebensräume. Die Preisträger demonstrieren in eindrucksvoller Weise, dass mit einem umsichtigen Biodiversitätsmanagement während der Abbauphase und durch anschließende Renaturierung ganz gezielt Lebensräume für bedrohte Tier- und Pflanzenpionierarten geschaffen und erhalten werden können. Viele Unternehmen holen sich dabei externes Fachwissen von Experten und Umweltschutzorganisationen ins Haus, die in der Regel die Potentiale für ein Plus an biologischer Vielfalt bestens kennen und das Unternehmen mit konkreten Empfehlungen unterstützen. Dieses Vorgehen ist heute in der Branche eher die Regel, als die Ausnahme.
Die mineralische Rohstoff-Industrie als Hüter der Biodiversität – wer hätte das vor 20 Jahren gedacht! Dafür, dass sich die Branche diesen Titel tatsächlich komplett verdient, müssten aber alle Unternehmen ähnlich vorgehen wie die Teilnehmer des Wettbewerbes und wirksame Beiträge leisten.
Auch der diesjährige MIRO Nachhaltigkeits-Wettbewerb ist mit dem europäischen „Sustainability Awards 2013" des europäischen Dachverbandes UEPG (Europäischer Gesteinsverband) verknüpft. Das heißt, die nationalen Preisträger können am europäischen Wettbewerb teilnehmen.
Jury des MIRO Nachhaltigkeitspreises
- Professor Dr. Christian Niemann-Delius (RWTH Aachen),
- Frau Dr. Simone Röhling, (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe; BGR),
- Dr. Friedhelm Rese (Steinverlag GmbH),
- Frau Gabriela Schulz (Chefredakteurin der „Gesteins-Perspektiven"),
- Frau Marion Hammerl, (Präsidentin des Global Nature Fund, GNF)
Informationen zur Europäischen Business and Biodiversity Kampagne
Die Europäische Business & Biodiversity Kampagne wurde von einem Konsortium aus europäischen Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) unter Führung des Global Nature Fund (GNF) initiiert. Ihre Zielsetzung ist es, die große ökonomische Bedeutung der Biodiversität für wirtschaftliches Handeln darzulegen und das Engagement der Wirtschaft für den aktiven Schutz und Erhalt von biologischer Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen zu gewinnen. Die Kampagne wird vom Life+ Programm der Europäischen Union unterstützt.
www.business-biodiversity.org
Ansprechpartner:
Global Nature Fund
Stefan Hörmann – Programmkoordinator
Kaiserstrasse 185-197
53113 Bonn
Mail:
hoermann@globalnature.org