Was in unsere Seen fließt
 

Archiv der Pressemeldungen des Global Nature Fund

Was in unsere Seen fließt
Experten des Netzwerks Lebendige Seen Deutschland stellen fest: Trotz zahlreicher gesetzlicher Regelungen fließen nach wie vor zu viele Nährstoffe in unsere Seen. Nährstoffe sind zwar essentiell für alle Lebewesen. Künstlich im Überfluss in unsere Umwelt eingeleitet, verursachen sie aber schwerwiegende Veränderungen der Ökosysteme. Stehende Gewässer sind dieser Gefahr besonders ausgesetzt.
Radolfzell, 1. Februar 2012: Die letzten Tage standen im Licht der Internationalen Grünen Woche in Berlin, der Ausstellung für Ernährungs- und Landwirtschaft. Doch was haben der Dümmer und die Oberschwäbischen Seen damit zu tun? Beide senden Warnsignale: das konstatieren die Partner im Netzwerk Lebendige Seen Deutschland. Zunehmende Belastung durch die intensive Landwirtschaft und das Fehlen ausreichend großer düngemittelfreier Uferstreifen als Pufferzonen für die Gewässer wirken sich in zunehmenden Nährstoffbelastungen und Algenblüten aus. Eine enge Kooperation von Landwirten, Wasserwirtschaft und Naturschützern ist gefragt, um diese Entwicklung aufzuhalten.
 
Nach den Angaben des Umweltbundesamtes gelangen über 62 % des Stickstoffs über sogenannte diffuse Einträge aus der Landwirtschaft in unsere Gewässer. Aus diesem Grund hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, den Stickstoffüberschuss der Agrarwirtschaft auf 80 kg pro Hektar und Jahr zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen aber noch erhebliche Anstrengungen unternommen und eine ganze Reihe effektiver Maßnahmen ergriffen werden.
 
Landwirtschaft zur Nachhaltigkeit motivieren
 
Trotz existierender Regelungen entstehen durch intensive Düngung und eine hohe Dichte und Konzentration von Tierbeständen starke Belastungen von Seen und Flüssen. Landwirte wirtschaften zwar nach den Regeln der „guten landwirtschaftlichen Praxis" (GLP), welche auch Belange des Umwelt- und Tierschutzes sicherstellen soll. Im Hinblick auf den Schutz und die Erhaltung von Seen sind die Vorgaben der GLP aber vielfach nicht ausreichend.
 
Die zunehmende internationale Konkurrenz und der daraus resultierende Preisdruck haben dazu geführt, dass die Akzeptanz von Extensivierungsmaßnahmen bei vielen Landwirten in Deutschland zurückgegangen ist. Als eine der Ursachen hierfür sieht Albrecht Trautmann von der PRO REGIO Oberschwaben GmbH den erhöhten Druck auf landwirtschaftliche Produktionsflächen, der unter anderem durch Vorschriften der Düngeverordnung und den steigenden Bedarf von Flächen für die Bioenergiegewinnung ausgelöst wurde. Dadurch steigt die Nutzungskonkurrenz zwischen Lebensmittelproduktion, Energieerzeugung und Naturschutzflächen.
 
Zu den Maßnahmen für eine gewässerschonende Landbewirtschaftung gehören unter anderem gute einzelbetriebliche Beratung, Erstellung eines adäquaten Düngeplans unter Berücksichtigung von Bodenuntersuchungen, ausreichender Abstand zu Gewässern beim Düngen und bei der Weidehaltung sowie die Umstellung auf ökologischen Landbau.
 
Einfache, aber effiziente Mittel sind jedem Landwirt möglich: Verzicht auf Düngen, wenn starker Regen vorhergesagt ist oder Bewirtschaftung parallel zum Hang. „Gülle-Börsen" verhindern die Ausbringung überschüssiger organischer Dünger auf die Felder. Funktionierende Beispiele dafür gibt es in fast allen Bundesländern. Die gewünschten Zehn-Meter-Pufferzonen zu Fließ- und Stillgewässern eignen sich sehr gut für den Energieholzanbau. Dadurch können Nährstoffeinträge erheblich reduziert werden. Extrem stark von den Einträgen betroffen sind sensible Niedermoorstandorte und drainierte Flächen. Diese sollen nur wenig und nur in der Hauptvegetationszeit gedüngt und auf keinen Fall als Acker genutzt werden.
 
Maßnahmen bestimmen – eine Aufgabe an alle
 
Die EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) fordert alle Mitgliedstaaten auf, bis zum Jahr 2015 für alle Gewässer (Grund- und Oberflächengewässer) einen „guten Zustand" zu erreichen bzw. sicher zu stellen. Die aktuelle landwirtschaftliche Praxis reicht nicht aus, um die Nährstoffeinträge substantiell zu reduzieren und das Erreichen dieses Ziels zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund ist eine noch bessere Zusammenarbeit von Landwirten, Naturschutzorganisationen und Wasserwirtschaftsbehörden dringend notwendig, um neue, ganzheitliche Ansätze zur Verringerung der Gewässerbelastung zu entwickeln. Auch die Einbindung von Verbraucher- und Tourismusverbänden, wie z.B. am Dümmer, Waginger See und Neukirchnersee geschehen, trägt zur Sensibilisierung für erforderliche Maßnahmen zu einer extensivierten Landwirtschaft bei. Das Einbeziehen der Landesämter für Umweltschutz ist ein weiterer wichtiger Schritt bei der Bestimmung und Umsetzung von Gewässerschutzmaßnahmen. Allerdings ist auch die Rolle der Wirtschaft nicht zu unterschätzen: durch höhere ökologische Ansprüche an die Landwirte und die Bereitschaft, für hochwertige Produkte höhere Preise zu zahlen, können zusätzliche Marktanreize für die Landwirtschaft geschaffen werden.
 
Hintergrundinformationen zum Netzwerk Lebendige Seen Deutschland
 
Seen und Feuchtgebiete mit ihren Wassereinzugsgebieten gehören zu den wichtigsten und gleichzeitig am stärksten bedrohten Lebensräumen in Deutschland. Das Netzwerk Lebendige Seen Deutschland schafft eine Plattform für den Erfahrungsaustausch und den Wissenstransfer. Modellprojekte zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in Seenregionen werden gemeinsam entwickelt und umgesetzt. Die internationale gemeinnützige Stiftung Global Nature Fund (GNF) koordiniert das bundesweite Netzwerk. Unterstützt wird das Netzwerk von der Anton & Petra Ehrmann Stiftung. Mehr Informationen zum Netzwerk unter www.globalnature.org/Netzwerk-Deutschland .
 
Kontakt:
Global Nature Fund (GNF)
Katja Tolkachyova
Tel.: 0 77 32 - 99 95 82
Fax: 0 77 32 - 99 95 88
E-Mail: tolkachyova@globalnature.org 
Website: www.globalnature.org

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