Radolfzell/Valencia, 29.01.2020: Als die Netzwerkmitglieder 2019 im Rahmen ihres 15. internationalen Treffens in Valencia den Naturpark Albufera besuchten, bot sich ihnen ein seltsamer Anblick: Schon aus der Ferne schimmerte ihnen das Wasser des namensgebenden Sees entgegen und war – grün. Die Farbe resultiert aus der Masse an Cyanobakterien, die von der übermäßigen Nährstoffkonzentration im See profitieren. Dass das Ökosystem des Albufera-Sees unter Stress steht, ist nicht verwunderlich: Umgeben von 14 Gemeinden mit insgesamt 1,5 Millionen Einwohnern ist es mit industriellen Abwässern und Chemikalien konfrontiert, die vornehmlich aus dem Reisanbau stammen. Auch der Klimawandel hat direkten Einfluss auf den See, indem höhere Temperaturen und geringere Niederschläge sein Wasser verdunsten lassen; das nur durch eine Düne vom Mittelmeer getrennte Gewässer droht gänzlich zu verschwinden.
Auf dem Weg zur Toten Zone
Seit den 1960er Jahren ist der Albufera-See ökologisch zunehmend herausgefordert. Die Region um Valencia erlebte einen industriellen Aufschwung, der den massiven Eintrag von organischem Material ins Seewasser mit sich brachte. Sein zunehmend nährstoffgesättigtes Milieu bietet Phytoplankton wie den Cyanobakterien ideale Lebensumstände, während andere Spezies unter mangelnder Sauerstoffzufuhr leiden und schließlich aus dem See verschwinden – ein Prozess, der als Eutrophierung bezeichnet wird. Der See droht vollends zur ökologischen dead zone zu werden, ein Schicksal, das 2019 bereits die benachbarte Lagune Mar Menor erlitt. Da der Albufera-See lediglich einen halben bis zweieinhalb Meter tief ist, setzen industrielle und landwirtschaftliche Abwässer außerdem einen bedrohlichen Sedimentationsprozess in Gang: Am Seegrund lagern sich Partikel ab, die das Gewässer buchstäblich zu ersticken drohen und in denen Wissenschaftler zu allem Überfluss industrielle Schwermetalle vermuten.
Seine Eutrophierung hat die Fauna und Flora des Albufera-Sees bereits massiv in Mitleidenschaft gezogen; so hat sich z. B. die Zahl der Fischarten, denen er eine Heimat bietet, in den letzten Jahrzehnten halbiert. Heimische Aale oder Wolfsbarsche wurden von exotischen Arten (z. B. Karpfen oder Blaukrabbe) verdrängt, die widerstandsfähiger gegen Verschmutzung sind und die ursprüngliche Ökologie des Sees verändern. Einheimische Fischer, von denen es ohnehin nur noch wenige gibt, tun sich schwer, von ihrer traditionellen Tätigkeit zu leben. „Auch die Erklärung des Seegebiets zum Naturpark im Jahr 1986 hat kaum geholfen, unsere vielfältigen Probleme zu lösen", sagt Eduardo de Miguel Beascoechea, Geschäftsführer der spanischen Fundación Global Nature.
Ein handlungsstarkes Bündnis
Auch wenn der Naturpark Albufera das bedeutendste Feuchtgebiet in der Region um Valencia ist, erscheint die Rettung der verbliebenen Naturschätze als schwieriges Unterfangen – ganz zu schweigen von der Wiederherstellung ihres früheren Zustands. Ein Teil des Problems sind die verwirrenden administrativen Zuständigkeiten: Da die Stadtverwaltung von Valencia Eigentümerin des Sees ist, das regionale Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Klimaschutz den Naturpark verwaltet und das Ministerium für ökologischen Wandel für Feuchtgebiete um Valencia zuständig ist, fällt die unmittelbare Umsetzung von Schutzmaßnahmen schwer. Aber es gibt auch Hoffnung: Die Fundación Global Nature arbeitet gemeinsam mit ihren internationalen Partnern des Living Lakes-Netzwerks intensiv an der Verbesserung der Situation im Naturpark Albufera. An ihre Bemühungen knüpft sie eine Reihe politischer Forderungen:
Um das einzigartige Ökosystem zu erhalten, das noch immer 250 Vogelarten (z. B. die ebenso schöne wie seltene Marmelente), zwei endemische und 33 gefährdete Pflanzenarten sowie 11 endemische und 33 gefährdete Tierarten beheimatet, braucht der Albufera-See vor allem eine vermeintlich simple Sache: mehr Wasser. Ein verstärkter Zufluss aus dem Fluss Júcar ist eine umsetzbare Lösung für das Problem des Wasserverlusts – wird jedoch derzeit durch die Stadtverwaltung von Valencia blockiert. Eine weitere Forderung der Fundación Global Nature betrifft die Ausbaggerung des Seebodens, die regelmäßig durchgeführt wird, aber eines größeren Umfangs bedarf, um das Gewässer natürlich fließen zu lassen und sein geschädigtes Ökosystem wiederherzustellen. Die Landwirtschaft rund um den See muss sich an Nachhaltigkeitskriterien orientieren; der gängigen Praxis, Reisstroh zu verbrennen oder es auf den Feldern verrotten zu lassen, muss ein Ende gesetzt werden.
Es ist viel zu tun, aber noch mehr kann erreicht werden, wenn Menschen am Albufera-See umgehend geeignete Maßnahmen ergreifen. „Wenn wir es jetzt nicht tun, wird der schöne Albufera in 50 Jahren kein See mehr sein, sondern eine Wüste", sagt Miguel Beascoechea. Die Verleihung des Titels Bedrohter See 2020 soll ein Anstoß sein, dieser Zukunft zuvorzukommen und sich der bedrohlichen Gegenwart zu stellen – um den See wieder aufleben zu lassen und seine grüne Farbe durch ein gesundes Blau zu ersetzen.
Weitere Informationen:
www.globalnature.org/BedrohterSee
Partner des Living Lakes-Netzwerks
Die spanische Fundación Global Nature macht sich stark für den Erhalt heimischer Arten, Biodiversität, eine nachhaltige Landwirtschaft, den Kampf gegen den Klimawandel und die Förderung nachhaltiger Technologien. Sie begann ihre Arbeit 1993 an der Lagune La Nava und weitete ihr Engagement in den Folgejahren auf die Regionen Palencia, Castilla La Mancha und Valencia aus. 2018 wurde die Fundación Global Nature für ihren Einsatz als erste spanische NGO mit dem RAMSAR Wetland Conservation Award ausgezeichnet. Gemeinsam mit dem deutschen Global Nature Fund (gegründet 1998), der von Radolfzell am Bodensee, Bonn und Berlin aus als gemeinnützige Stiftung international im Natur- und Umweltschutz agiert, ist die Fundación im Netzwerk Living Lakes organisiert, dessen 112 Mitglieder sich weltweit für den Schutz von Seen und Feuchtgebieten einsetzen.
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