GNF - Protestbrief 2020
 

OFFENER PROTESTBRIEF
von Global Nature Fund (GNF) und Living Lakes an den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und Umweltminister Ricardo Salles
GEGEN DIE BRANDRODUNGEN IM BRASILIANISCHEN PANTANAL

 Netzwerk Living Lakes

 

Das Pantanal brennt.

Beim Global Nature Fund blutet uns das Herz angesichts der Bilder und Berichte, die uns aktuell aus dem größten Binnenland-Feuchtgebiet der Erde erreichen.

 

Das südamerikanische Pantanal ist seit Langem Mitglied im vom GNF koordinierten Netzwerk Living Lakes, dessen Mitglieder sich weltweit für den Schutz von Seen und Feuchtgebieten engagieren. Bereits 2007 haben wir gemeinsam mit unserem brasilianischen Living Lakes-Partner Fundação Ecotrópica auf die Gefährdung der Region aufmerksam gemacht.

 

Doch wenig hat sich in der Zwischenzeit zum Schutz des Pantanal getan – im Gegenteil, seit Juli 2020 haben Feuer mehr als ein Zehntel des einzigartigen Ökosystems zerstört. Im Namen der über 150 Mitgliedsorganisationen des Internationalen Netzwerks Living Lakes fordern wir

 

unverzügliche Maßnahmen, um die dramatische Lage im Pantanal zu beenden und das einzigartige Ökosystem in der Zukunft effektiv und nachhaltig zu schützen. Politiker dies- und jenseits des Atlantiks müssen jetzt entschlossen handeln, um zu verhindern, dass dieses UNESCO-Weltnaturerbe unwiderruflich zerstört wird.

 

Das Pantanal ist Heimat von Jaguar, Hyazinth-Ara und Sumpfhirsch und von großer Bedeutung für den südamerikanischen Wasserkreislauf. Die Ursache für die aktuelle Zerstörung ist Brandstiftung insbesondere im Südwesten Brasiliens, die vor allem der Ausweitung von Rinderweiden und Flächen für den Sojaanbau großer Agrarkonzerne dient, wie Wissenschaftler*innen beweisen.

 

Die brasilianische Bundesregierung geht nicht oder nur unwillig gegen die Brandstiftung vor: Präsident Jair Bolsonaro gab vor der UN der indigenen Bevölkerung und den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern seines Landes die Schuld an den Verbrechen oder leugnete die Feuer ganz – mit der Begründung, Feuchtgebiete seien feucht und könnten deshalb nicht brennen.

 

Die Naturschützer*innen von Fundação Ecotrópica arbeiten mit unermüdlichem Einsatz daran, die Auswirkungen der Brände einzudämmen und der geschwächten Tierwelt des Pantanal zu helfen: So halten Futterinseln Flachlandtapir und Co. am Leben, wenn ihnen das Feuer alles genommen hat. Aber für hunderttausende seltene oder gefährdete Tiere, die in den Flammen oder aufgrund des mangelnden Nahrungsangebots umkommen, kommt jede Hilfe zu spät.

 

Um das gegenwärtige Leid zu lindern und zukünftigem vorzubeugen, erheben wir vom Global Nature Fund (GNF) gemeinsam mit dem Netzwerk Living Lakes Forderungen:

 

An die Regierung Brasiliens, Präsident Jair Bolsonaro und Umweltminister Ricardo Salles:

Ermuntern Sie Landwirt*innen nicht länger dazu, mittels Brandrodung Platz für neue Agrarflächen zu schaffen. Ein intaktes Ökosystem Pantanal ist entscheidend für die Wasserkreisläufe und den Klimaschutz in Brasilien!

 

Die Strategie des kurzfristigen Profits hat langfristig nicht nur verheerende Auswirkungen für die indigenen Völker, deren Heimat das Pantanal ist, sowie für die Ökologie und Ökonomie Brasiliens und ganz Südamerikas, sondern auch für die Artenvielfalt, das Klima und den Wohlstand der Welt. Die brasilianische Regierung hat sich gegenüber der UN dazu verpflichtet, das Pantanal als UNESCO-Weltnaturerbe effektiv zu schützen. Kommen Sie dieser Verpflichtung nach!

 

An die Europäische Union und die europäischen Nationalregierungen:

Üben Sie Druck auf die brasilianische Regierung aus, sich von der zerstörerischen Politik des Laisser-faire ab- und dem Schutz der natürlichen Ressourcen des Landes zuzuwenden. Entwickeln Sie konkrete Maßnahmen, um die Erzeugung und den Verbrauch industrieller Fleisch-, Eier- und Molkereiprodukte zu reduzieren. Schaffen Sie Anreize, um den Anbau von Eiweißpflanzen attraktiver zu machen. Fördern Sie die Binnenproduktion von Hülsenfrüchtlern, die zugleich weitere positive Effekte hätte, z.B. für die Bienenzucht, für Wildbestäuber oder auch für die Stickstoffbindung im Boden – regionale Maßnahmen vor unserer Haustür, die zugleich dem nachhaltigen Wohlstand Brasilien und der einzigartigen Natur des Pantanal zugutekämen.

 

An uns alle als Verbraucherinnen und Verbraucher:

Überdenken wir unsere Konsum- und Ernährungsentscheidungen. Der Kauf von billigem Fleisch beim Discounter oder im Supermarkt steht in direktem Zusammenhang mit der Vernichtung unschätzbaren Lebens im Pantanal. So werden drei Viertel des weltweit produzierten Sojas als Futtermittel für Schlachttiere verwendet – und nahezu das gesamte Futtersoja in Deutschland und der EU stammt aus Südamerika. Auf einem vernetzten Planeten hat unser Verhalten globale Folgen für Lebewesen, Ökosysteme und das Klima. Handeln wir gemeinsam in diesem Bewusstsein.

 

Im Namen der 130 Living Lakes-Mitgliedsorganisationen auf der ganzen Welt:

 

MARION HAMMERL

Präsidentin des Global Nature Fund

UDO GATTENLÖHNER

Geschäftsführer des Global Nature Fund