Fischfang am Pulicat See ist Chance und Risiko
Die tropische Lagune misst unterschiedliche Salzgehalte, Temperaturen, hat sandigen bis schlammigen Boden, und beherbergt eine Vielzahl an Pflanzen- und Zooplanktonarten, Mikro- und Makroflora von verschiedenen einheimischen Arten. Durch seine morphologischen Merkmale und seinen Salzgehalt ist der Pulicat See eine wichtige Laichzone für Fische und andere Meerestiere.
Die Menschen am Pulicat See leben seit Generationen vom Fischfang, der aufgrund eines traditionellen Management Systems geregelt ist. „Padu“ baut auf internen Verhaltensregeln auf, nach denen die Fischergemeinden gleiche Fangerträge erzielen und der See vor Überfischung geschützt werden soll. Allerdings wird die Zahl der Menschen, die im See fischen, immer größer und das System immer wackeliger.
Determiniert durch die indische Kastenzugehörigkeit gibt es am Pulicat See ca. 30.000 traditionelle Berufsfischer. Fehler in der Landwirtschaft und eine wachsende Bevölkerung führten dazu, dass Landwirte und Tagelöhner in den vergangenen Jahren ebenfalls den Fischfang ausübten und so mittlerweile von 50.000 Fischern am See gesprochen wird. Übernutzung und zunehmende Konflikte innerhalb des „Padu“-Systems sind die Folge. Die vermehrte Ansiedlung von Garnelenzuchtfarmen belasten die Konflikte und das Ökosystem des Sees zusätzlich.
Probleme am Pulicat See
Seit dem strukturellen Anpassungsprogramm und der Liberalisierungpolitik der Regierung hat die Industrialisierung in der Region rasant zugenommen. Einhergehend mit einer steigenden Bevölkerungszahl und kulturellen Gewohnheiten ist das Ökosystem des Pulicat Sees zunehmend bedroht und mit ihm sind ungefähr 120.000 Menschen, die vom See und dem Meer abhängig sind, gefährdet.
Die Hauptprobleme in und am Pulicat See sind vielfältig:
1. Verlust von Mangrovenwäldern durch breitflächige Abholzung
Der Pulicat See hatte einst eine gute Abdeckung mit Mangroven, heute sind die meisten Pflanzen vernichtet worden oder verschwunden. Durch die finanzielle Unterstützung des Bundesamtes für Naturschutz werden nun 25.000 Bäume in zwei Jahren gepflanzt. Die vom dichten Wurzelwerk der Mangroven geschützten Wasserzonen bieten den Larven und Jungtieren zahlreicher Fischarten ideale Lebensbedingungen.
2. Starke Schlammbildung und Erosion
Unbeständige Bewegungen des Wassers und der Schlammformation an der Mündung, zum Meer beeinträchtigen den optimalen Salzgehalt. Der Pulicat See ist in den vergangenen Jahren stark geschrumpft. Das ist vor allem auf die Verschlammung aufgrund heftiger Monsunfälle zurückzuführen. Die Verschlammung von Gewässern führt zu einer Reduzierung der Artenvielfalt und der Vegetation am Boden. Der Austausch von See- und Meerwasser nimmt ab, was sich wiederrum auf die Fischgründe auswirkt.
Ferner führt der Bau eines künstlichen Hafens am südlichen Ende des Sees zu Küstenerosion. Die Erosion bedroht den schmalen Sandstreifen, der den See vom Meer trennt.
3. Nicht nachhaltige Fischerei und Zusammenbruch der traditionellen Fischereimethode „Padu”
Der Pulicat See ist seit jeher Hauptzentrum für Fischerei. In den 70er Jahren wurden die Fänge aus dem See erstmals auch auf internationalen Märkten verkauft. Der See verfügt vor allem über Garnelen und Langostinos, die einen hohen Exportwert haben. Andere wichtige Fangsorten sind Krabben, Meeräsche, Wels, Austern, Hummer und Muscheln. Die Anzahl der Fischer sowie die Nutzung nicht nachhaltiger Fischereimethoden (Einsatz von Motorbooten und nicht konventionelle Netzen) stiegen und führten in den vergangenen Jahren zu einer starken Reduzierung der Fischerträge. Ferner vermehrten sich Konflikte zwischen den Fischergruppen um die Nutzungsrechte.
4. Fehler in der Landwirtschaft
Durch die Einleitung von Salzwasser auf landwirtschaftlich genutzten Flächen wird die Ernte zerstört. Nicht-Fischer sind gezwungen, alternative Einkommensmöglichkeiten im Fischfang zu suchen. Die landwirtschaftlichen Methoden, vor allem der Kleinbauern, müssen analysiert und verbessert werden, damit die Landwirte wieder zu ihrem traditionellen Beruf zurückkehren und der See entlastet wird. Zudem fehlt ein verständlicher Lageplan für die Wiederaufnahme von Landwirtschaft und Viehzucht für die Gemeinden der Nicht-Fischer.
5. Ungereinigte Abwässer
Abwässer von Industrien, Aquafarmen, umliegenden Dörfern und Prozesswasser von Kraftwerken, die in den See fließen, beeinträchtigen Fisch und Mensch
Die drei schmalen Flüsse Swarnamukhi, Kalangi und Arni fließen in den See. Über die Flüsse Arani und Kalangi gelangen Düngemittel und Pestizideinträge mit den Abwässern der Landwirtschaft in den See. Ungeklärte Haushaltsabwässer und Abwässer der zahlreichen Fischbetriebe belasten den See zusätzlich. Übernutzung, Missmanagement und nicht gereinigte industrielle Abwässer von mehr als 25 Industrien aus der Nahe gelegenen Millionenstadt Chennai stellen eine enorme Herausforderung für das ökologische Gleichgewicht des Ökosystems dar.
Wissenschaftler der Universität Madras untersuchen in einer Studie aus dem Jahr 2007 zwei Fischsorten aus dem Pulicat See. Dabei entdecken sie extrem hohe Werte an Eisen und Blei.
Die Zahl der Motorboote im See steigt ebenfalls an und führen durch Ölverschmutzungen zu einer zusätzlichen Belastung des Sees.
6. Keine lokalen wissenschaftlichen Überwachungsmechanismen
Bisher gibt es keine wissenschaftlichen Studien über durchführbare alternative und nachhaltige Methoden, die den Fischergemeinden neue Perspektiven eröffnen. Auch fehlen Programme zur Rehabilitierung der Biodiversität am See.
7. Fehlen von dauerhaften Koordinierungsbemühungen zwischen Staat, wissenschaftlichen Organisationen, lokalen NGOs und Fischergemeinden
Das unzureichende Wassermanagement muss dauerhaft verbessert werden. Dafür müssen sich alle relevanten Interessensgruppen zusammenschließen, um die Probleme zu analysieren und gemeinsame Lösungen zur Rettung des Sees zu finden. Das Fehlen einer gemeinsamen Linie führt dazu, dass bisher kein adäquates Management des Sees etabliert werden konnte.
Lösungen zur Rettung des Pulicat Sees
Der GNF und seine Partnerorganisation CReNIEO (Centre for Research on New International Economic Order) starteten im Sommer 2009 ein Projekt zur Wiederherstellung der Artenvielfalt am Pulicat See in Tamil Nadu durch das Anpflanzen von Mangrovenwäldern. Dadurch kann nicht nur die Artenvielfalt wiederhergestellt werden, auch wird die wichtigste Einkommensquelle der Bevölkerung – der Fischfang – gesichert. Um die lokale Bevölkerung in diesen Prozess einzubinden, beinhaltet das Projekt Umweltbildungsmaßnahmen, die sich speziell an Frauengruppen richten. Die Frauen erlernen Methoden zum Züchten und Pflanzen von Mangroven, was sie in der Folge praktisch umsetzen.