Wie ein Holzofen zum Waldretter wird

Wie ein Holzofen zum Waldretter wird

Von Thies Geertz

Endlich ist es soweit: Nach der Aufhebung der pandemiebedingten Reisebeschränkungen kann ich nach Mexiko reisen, um unser gemeindebasiertes Waldschutzprojekt zu besuchen. Nach zwölf Stunden Flug: Ankunft in Mexiko-Stadt, Jetlag, Treffen mit unserer Partnerorganisation Cooperación Comunitaria. Am nächsten Morgen: Weiterreise ins Projektgebiet im Bundesstaat Guerrero mit dem Auto, zwölf Stunden Fahrt. Mir wird schnell klar: Mexiko ist ein riesiges Land. Aufgrund der verschiedenen Ökozonen, die dieser 130 Millionen Einwohner zählenden mittelamerikanische Staat umfasst, wird Mexiko zu den 17 megadiversen Ländern des Planeten gezählt. Darüber hinaus ist das Land auch ein ethnisches Mosaik. Unzählige indigene Völker leben in Mexiko, besonders im Süden. Im Bundesstaat Guerrero, wo wir unser Projekt umsetzen, gehören besonders viele Menschen indigenen Gemeinschaften an. Hier kommt es auch immer wieder zu gewaltsamen Konflikten um Landnutzungsrechte. Große Minengesellschaften und Drogenkartelle – die sogenannten „Narcos“ – versuchen sich hier seit vielen Jahren festzusetzen – gegen den Willen der Indigenen. Das Auswärtige Amt rät deshalb dringend von Reisen in den Bundesstaat Guerrero ab. Wir reisen zur Sicherheit in einer Fahrzeugkolonne.

Seit 2013 arbeitet die GNF-Partnerorganisation Cooperación Comunitaria in der bergigen, unzugänglichen Region Montaña des Bundesstaates Guerrero. Nachdem die Region zuerst von einem heftigen Erdbeben erschüttert wurde, wütete kurze Zeit später ein Wirbelsturm und richtete große Zerstörungen an. Was in der Folge dieser Naturkatastrophen zunächst als Hilfsprojekt zum erbebensicheren Wiederaufbau der Häuser in den Dörfern gedacht war, hat sich schnell zu einem umfassenden Entwicklungsprogramm gemeinsam mit der indigenen Gemeinschaft der Me’phaa entwickelt.

Die Naturkatastrophen machten deutlich, dass die zunehmende Abholzung und nicht nachhaltige Nutzung der Bergwälder vermehrt zu Erdrutschen führt, welche Ackerflächen, Straßen und Häuser unter sich begraben. Zudem verschärft die Abholzung das Problem der Wasserknappheit in den Dürremonaten erheblich. Im Mittelpunkt des Projektes, das der GNF, gefördert durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), dort durchführt, steht deshalb die nachhaltige Nutzung und Wiederaufforstung der Roteiche – einer Schlüsselart des äußerst artenreichen Bergwaldes der Montaña. Die Roteiche ist aufgrund ihrer enormen Energiedichte als Brennholz in den Holzöfen der Me’phaa sehr begehrt. Gemeinsam mit den Frauen setzt die Cooperación Comunitaria genau hier an und hat im Rahmen von zahlreichen Workshops einen holzsparenden Ofen entwickelt. Das neuartige Modell wurde „Juana“ getauft und ist genau auf die Bedürfnisse der Frauen abgestimmt, denn diese haben es schließlich selbst entwickelt. In Gemeinschaftsarbeit haben die Frauen bereits 40 holzsparende Öfen gebaut. Alle Frauen berichten übereinstimmend, dass die neuartigen Öfen viel komfortabler sind und etwa 50 Prozent Brennholz einsparen. Auch gibt es einen Rauchabzug, so dass die Frauen beim Backen der Tortillas nicht mehr im Rauch stehen müssen. Bei 40 Familien, die diese Öfen jetzt nutzen, werden so über das Jahr gerechnet viele Tonnen Brennholz eingespart. Da der Ofen Juana ein Erfolgsmodell ist, haben bereits viele weitere Familien angefragt, ob sie Unterstützung beim Eigenbau dieses Ofens erhalten können. Wir beabsichtigen deshalb, das Programm in Zukunft auszuweiten. Hätte jede Me’phaa-Familie in dem Gebiet eine “Juana“, so könnten ganze Wälder von der Abholzung verschont werden.

Unser Projekt zielt darüber hinaus auch auf die Stärkung des zwölfköpfigen, für jeweils drei Jahre gewählten indigenen Selbstverwaltungskomitees ab. Da die Me‘phaa keinen privaten Landbesitz kennen, werden alle richtungsweisenden Entscheidungen zur Bewirtschaftung der Wälder vom Selbstverwaltungskomitee getroffen. Im Rahmen von partizipativen Workshops werden das Bewusstsein für nachhaltige Nutzungspraktiken und die Managementfähigkeiten des Komitees gezielt gestärkt. Die Cooperación Comunitaria agiert hier mit großem Geschick und genießt durch die jahrelange Arbeit in den Gemeinden großes Vertrauen. Dabei hilft auch, dass Teile des Teams selbst aus der Gemeinschaft der Me’phaa stammen. Immer wieder wird bei den Workshops aus dem Spanischen in die Sprache der Me’phaa übersetzt, damit alle Bewohnerinnen folgen und sich beteiligen können.

 

Nach einer ereignisreichen Woche mit vielen Workshops und der Einweihung von zahlreichen neuen Küchen muss ich Mexiko leider wieder verlassen. Die Zeit drängt und es ist nun meine Aufgabe, gemeinsam mit der Cooperación Comunitaria eine Anschlussfinanzierung zu sichern, damit in den nächsten Jahren noch viele weitere holzsparende Kochöfen gebaut werden und das gemeinschaftliche Waldmanagement verbessert werden können.

 

Dann kann ich hoffentlich bald noch einmal in dieses megadiverse, faszinierende Land zurückkehren und die Partnerschaft mit der Cooperación Comunitaria und den Me’phaa-Gemeinden weiter vertiefen und viele neue Kochöfen begutachten.